GFR [Glomuläre Filtrationsrate]*

Abschätzung der Nierenfunktion

Diagnostik und Verlaufskontrollen von Nierenerkrankungen erfordern die regelmäßige Bestimmung der glomerulären Filtrationsrate (GFR).

Der Goldstandard zur Beurteilung der GFR ist die direkte Messung mit Hilfe der Bestimmung der Clearance von exogenen Substanzen wie Inulin, Iothalamat, Iohexol, ⁵¹Cr-EDTA oder ⁹⁹mTc-DTPA (mGFR). Diese Methode ist jedoch komplex, zeit- und personalintensiv und wird somit nur noch in Ausnahmesituationen im stationären Bereich durchgeführt. Die Analyse der endogenen Kreatinin-Clearance ist relativ fehlerträchtig (siehe Kreatinin-Clearance). Daher wurden Formeln entwickelt, die alleine anhand der Kreatinin- und/oder Cystatin C-Konzentration im Serum und einfacher klinischer Informationen eine Abschätzung der GFR (eGFR) erlauben.

Die bislang häufig angewandte Kreatinin-basierte vereinfachte Modified Diet in Renal Disease (MDRD)-Formel berücksichtigt Serum-Creatinin, Alter, Geschlecht und ethnische Herkunft. Beim Einsatz der Formel besteht jedoch angesichts systematischer Abweichungen (Unterschätzung der GFR bei Gesunden aufgrund des ausgewählten Studienkollektivs) das Risiko von Fehlklassifikationen bezüglich des Erkrankungsstadiums im Sinne falsch pathologischer Ergebnisse.

Oberhalb einer GFR von 60 mL/min/1,73 m² erfolgt unter diesem Aspekt keine weitere Differenzierung. Die MDRD-Formel ist u.a. nicht geeignet für Kinder, Patienten mit extrem hohem oder niedrigem Körpergewicht, bei schwerer Mangelernährung, Muskelerkrankungen und Paraplegie. Die MDRD-Formel tritt für die Abschät-zung der GFR zunehmend in den Hintergrund.

Stattdessen wird die Verwendung der Kreatinin-basierten CKD-EPI-Gleichung, 2009 entwickelt von der „Chronic Kidney Disease Epidemiology Collaboration“ empfohlen, welche im Vergleich zur MDRD-Formel bei höherer Präzision und Richtigkeit eine wesentlich bessere Annäherung an die gemessene GFR erlangt, insbesondere auch bei Werten > 60 mL/min/1,73m², sodass hier eine numerische Angabe erfolgen kann.

Es werden ebenfalls der Serum-Creatininwert sowie die oben genannten klinischen Angaben einbezogen. Nicht geeignet ist die Gleichung u.a. für Nicht-Kaukasier, bei extrem geringer oder großer Muskelmasse und nach Nierentransplantation.

Beide genannten Formeln sind bei über 70-jährigen Patienten nicht zu empfehlen. Hierfür wurde 2012 die „Berlin Initiative Study (BIS1)-Gleichung“ entwickelt. Bei Kindern sind die Formeln ebenfalls nicht anwendbar.

Eine noch genauere Ermittlung der eGFR kann über die Analyse des Serum-Cystatin C, ebenfalls unter Verwen-dung von entwickelten Gleichungen, erfolgen. Hier werden u.a. die CAPA- (validiert an Kaukasiern und Asiaten, Erwachsenen und Kindern) oder die CKD-EPI-Formel (für Erwachsene) empfohlen.

Besonders anzuraten ist die Bestimmung von Cystatin C inkl. eGFR bei Kindern, älteren Patienten und Men-schen mit extremer Körperkonstitution. Zudem wird von der KDIGO empfohlen, mithilfe der Cystatin C-basierten eGFR-Bestimmung eine Verifizierung bzw. ggf. Reklassifizierung einer GFR im Bereich von 59 – 30 mL/min/1,73 m² vorzunehmen.

Zusätzlich sollten zur Abschätzung der Nierenfunktion natürlich weitere Parameter hinzugezogen werden, wie z.B. Albumin und/oder a1-Mikroglobulin im Urin, andere klinische Befunde zur Beurteilung der Niere (z.B. So-nographie).

Bei paralleler Bestimmung von Kreatinin und Cystatin C stehen zudem kombinierte Formeln für die eGFR (z.B. nach CKD-EPI oder BIS2) zur Verfügung, die eine noch höhere Genauigkeit erzielen sollen.